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Rückstauprobleme und ihre Lösung

Zu den gefürchteten Erlebnissen rund um die Grundstücksentwässerung gehören überschwemmte Kellerräume die durch Rückstau von Abwasser aus der öffentlichen Kanalisation geflutet wurden. Nicht nur, dass die Häufigkeit solcher Vorkommnisse in der Regel unterschätzt wird. Viele Grundstückseigentümer glauben nach wie vor, die Gemeinde als Betreiber des öffentlichen Kanalnetzes für den Rückstau haftbar machen zu können, zumindest aber gegen die wirtschaftlichen Folgen von Rückstauereignissen versichert zu sein: Beides ist fast immer ein Irrtum mit fatalen wirtschaftlichen Folgen.

 

"Rückstau-Wetter": Wenn der Sommerregen zur Sintflut ausartet, sind öffentliche Kanalnetze immer häufiger überfordert. Wer dann keine Rückstausicherung hat, riskiert im Falle einer Kellerüberflutung seinen Versicherungsschutz!

 

Die neuere Rechtsprechung hat in diesen Fragen praktisch durchgängig zu Ungunsten der
Grundstückseigentümer entschieden! Fazit: Der einzige wirksame Schutz vor Rückstauproblemen ist rechtzeitige technische Vorsorge auf dem Grundstück durch fachkundige Installation geeigneter Rückstausicherungen. Dies sollte man spätestens dann bedenken, wenn ohnehin eine Sanierung der Grundstücksentwässerung auch aus anderen Gründen, z.B. wegen Undichtigkeit von Leitungen und/oder Schächten, ansteht!

Ursachen und Folgen von Abwasser-Rückstau Ein Abwasser-Rückstau in der Grundstücksentwässerung entsteht, wenn das Schmutz- bzw. Mischwasser in der öffentlichen Kanalisation nicht ablaufen kann, weil diese blockiert oder überlastet ist. Dann staut sich das Abwasser im Kanalnetz auf: erst in den Rohren, dann, immer höher steigend, in den Schächten, bis es schließlich aus den Kanaldeckeln in die Umgebung austritt: Dieser Punkt markiert die Höhe der so genannten "Rückstauebene".

 

Da die angeschlossenen Grundstücksentwässerungen mit dem System zusammenhängen,
steigt auch in Hausanschlüssen, Kontrollschächten und Grundleitungen das Abwasser, bis
es die Höhe der Rückstauebene erreicht hat. Damit werden tiefer liegende Kellerräume bis
zur Höhe der Rückstauebene durch Abwasser aus dem öffentlichen Netz (und natürlich durch
eigenes Abwasser, das nicht mehr abfließen kann) geflutet. Die Höhe der Überschwemmung
im Keller hängt letztlich von der Lage der Rückstauebene ab (siehe Bild unten).

 

Es gibt in der Praxis vielfältige Ursachen für einen Abwasser-Rückstau:

  • Starkregenereignisse, die die Bemessungskapazität des Kanalnetzes überschreiten
  • zu knapp bemessene Kanalnetze (etwa in Folge zunehmender Siedlungsanschlüsse ohne Netzbausbau)
  • Abflusshindernisse im öffentlichen Kanalnetz (Fremdkörper, Ablagerungen etc.)

 

Bei hydraulischen Probleme im öffentlichen Kanalnetz sind oft die Grundstücke selbst
indirekt mitbeteiligt, wenn nämlich undichte Grundstücksentwässerungen für chronische
Fremdwasserprobleme im Netz sorgen: ein wichtiger Grund für die Dichtheitsprüfung
und Sanierung privater Leitungen.

 

Nicht zu unterschätzen ist, dass praktisch alle Experten sich darin einig sind, dass es
künftig aus klimatischen Gründen zunehmend häufiger zu Starkregenereignissen kommen
kann, die die Abflusskapazität des Kanalnetzes überfordern. Aus Kostengründen können
öffentliche Kanalnetze aber nicht gegen jede Eventualität ausgebaut werden. Auch ist nicht
zu vergessen, dass eine bestimmte Häufigkeit von Einstauereignissen definitionsgemäß
zum normalen Betriebszustand einer Kanalisation gehört. Eine Überschwemmung ist für
den Betroffenen jedoch nicht weniger unangenehm und kostspielig, nur weil sie sich im
Rahmen des statistisch Zulässigen bewegt!

 

Die Folgen von Rückstau sind:

  • Schlamm- und Fäkalienablagerungen im Keller und Reinigungsaufwand
  • Zerstörung von Mobiliar, Elektrogeräten und anderen Gegenständen
  • Zerstörung von Wandverkleidungen und Fußbodenbelägen
  • Beschädigung von Stromleitungen in den Wänden
  • Geruchsprobleme und Bauwerksdurchfeuchtung
  • Gesundheitsrisiken durch Keime im Abwasser

 

Während die materiellen Schäden kaum einer weiteren Erläuterung bedürfen, wird das
gesundheitliche Risiko der Abwasserfluten im Keller unterschätzt. Kommunales Schmutz-
wasser enthält eine erhebliche Bandbreite von gesundheitsschädlichen Keimen. Es wurde
im Einzelfall sogar schon von einem Todesfall durch Infektion mit Leptospirose-Erregern
(durch Rattenkot und -Urin übertragen) berichtet, die sich eine Hausfrau bei Reinigungs-
arbeiten in ihrem gefluteten Keller zuzog.

 

Wer haftet für die Folgen des Rückstaus ?

Da der Rückstau ursächlich im öffentlichen Kanalnetz entsteht, ist aus der Sicht des
betroffenen Grundstückseigentümers die Frage nahe liegend, ob die Gemeinde als
Betreiber des öffentliche Netzes nicht für Rückstauereignisse haftbar gemacht werden
kann. Als -denkbare- Rechtsgrundlagen kämen hierfür in Frage § 2 HaftpflG, oder die
Amtshaftung nach Art. 34 GG in Verbindung mit § 839 BGB. Um das Resultat vorweg
zu nehmen: Der Grundstückseigentümer hat nach aktueller Rechtsprechung praktisch
keine Chance, die Gemeinde als Betreiber des öffentlichen Kanal in Regress zu nehmen.

 

Schon im Ansatz chancenlos ist er, wenn die gemeindliche Abwassersatzung ausdrücklich
vorschreibt, dass für Entwässerungsgegenstände unterhalb der Rückstauebene eine Rück-
stausicherung vorzusehen ist. Praktisch zum gleichen Ergebnis führt aber die Überlegung,
dass der Einbau einer Rückstausicherung in solchen Fällen zu dem nach § 18b WHG
vorgeschriebenen Bau und Betrieb von Abwasseranlagen nach den "allgemein anerkannten
Regeln der Technik" gehört. Durch einen solchen Verstoß gegen die anerkannten Regeln der
Technik trifft den Grundstückseigentümer ein erhebliches Selbstverschulden - selbst dann,
wenn der Rückstau durch mangelhafte Wartung oder hydraulische Defizite im öffentlichen
Netz (mit)verursacht wurde. Aktuelle Urteile in diesem Sinne fällten das LG Coburg
(Az. 12 O 207/2) und vor allem das OLG Celle am 08.07.2004 (Az. 14 U 3/04). Das
Urteil des OLG Celle bringt in seinen beiden Leitsätzen den


Sachverhalt knapp auf den Punkt:

1. Die Gefährdungshaftung nach § 2 Abs. 1 HaftpflG greift bei Rückstauschäden nicht ein.   

2. Eine Haftung aus Amtspflichtverletzung besteht nicht, wenn eine ordnungsgemäße
Rückstausicherung nicht vorhanden ist.

 

Im Ergebnis haftet also ein Grundstückseigentümer bei nicht vorhandener geeigneter
Rückstausicherung für alle Rückstauschäden selber.

 

Weitere einschlägige Urteile zum Thema:

  • Bundesgerichtshof: BGH 30.07.1998 111 ZR 263,96
  • OLG Karlsruhe: 16.03.2000 - 19 U 231/98
  • OLG Köln: 30.08.2001 - 7 U 29/01

 

Wie steht es um den Versicherungsschutz bei Rückstauschäden ?

Bei fehlender Rückstausicherung steht es um den Versicherungsschutz in der Regel
schlecht, und zwar aus dem gleichen Grunde, aus dem der Grundstückseigentümer
die Gemeinde nicht haftbar machen kann: Selbstverschulden. Eine fehlende Rückstau-
sicherung verstößt häufig meist gegen eine kommunale Satzung und immer gegen die
allgemein anerkannten Regeln der Technik; das ist nicht nur haftungsrechtlich von
Bedeutung, sondern auch versicherungsrechtlich. Der Versicherungsschutz setzt im
Regelfall einen ordnungsgemäßen Betrieb der Abwasseranlagen voraus und dieser
liegt bei fehlender Rückstausicherung eben grundsätzlich nicht vor - immer vorausgesetzt,
es müssen überhaupt Räume bzw. Abwassergegenstände unterhalb der Rückstauebene
entwässert werden.

 

Wie kann man sich gegen Rückstau schützen ?

 

Gegen Rückstau aus Schmutz- und Mischwasserkanälen kann man sich letztlich nur
durch technische Vorsorge auf dem eigenen Grundstück absichern. Grundsätzlich
 unterscheidet man zwei unterschiedliche Fälle, in denen Schutz gegen Rückstau
erforderlich ist:

  1. Die Entwässerungsgegenstände im Keller liegen höher als der Abwasserkanal, aber unterhalb der Rückstauebene, können also im Normalbetrieb im Freigefälle entwässert werden.
  2. Die Entwässerungsgegenstände liegen unterhalb der Rückstauebene, zugleich aber auch unterhalb des Abwasserkanals; sie müssen also schon im Normalbetrieb über ein Abwasserhebewerk entsorgt werden.

 

Eine dem technischen Regelwerk entsprechende, grundsätzlich anwendbare und sichere Lösung ist ein Abwasserhebewerk nach EN 12056 Teil 4, welches das Abwasser über eine Rückstauschleife abführt. Eine solche Lösung sollte im Neubau prinzipiell vorgesehen werden.

 

Allerdings ist der bauliche Aufwand dieser Lösung für eine nachträgliche Installation (eigener Betriebsraum bestimmter Mindestgröße mit Beleuchtung und Zwangsbelüftung) erheblich und oft im Rahmen einer Sanierung des Grundleitungssystems gar nicht mehr realisierbar, ohne die Kellernutzung in Frage zu stellen.

 

Eine technische Alternative ist es in solchen Fällen, an geeigneter Stelle -idealer Weise
noch außerhalb der Gebäudegrundplatte !- Rückstausichsicherungen zu installieren:


Das sind Klappen, die das Wasser in der regulären Fließrichtung passieren lassen, aber automatisch schließen, sobald zurück stauendes Abwasser gegen die Fließrichtung drängt. Es ist allerdings darauf hin zu weisen, dass die Verwendung einfacher Rückstau- verschlüsse nach EN 12056 Teil 4 nur zulässig ist, wenn ein Gefälle zum Kanal besteht. Außerdem sind bei Einsatz einfacher Rückstauverschlüsse  Nutzungseinschränkungen der Räumlichkeiten zu beachten (nur "Räume untergeordneter Nutzung"); so darf unter diesen Umständen keine selbstständige Einliegerwohnung im Keller betrieben werden. Dennoch sind Rückstausicherungen, die es inzwischen in technisch sehr aufwändigen Varianten mit hohem Sicherheitsgrad gibt, gerade für die nachträgliche Sicherung eine unverzichtbare Option. Wer in den Kellerräumen erhebliche Sachwerte lagert oder dort komplette Wohnungen einrichtet, sollte aber die Art seiner Rückstausicherung ggf. im Vorfeld mit der Kommune und vor allem mit seiner Versicherung abstimmen, um Streitigkeiten im Schadenfalle auszuschließen. Nicht zu übersehen und in seiner rechtlichen Bedeutung nicht zu unterschätzen sind die Vorschriften zur regelmäßigen Inspektion und Wartung von Hebeanlagen und Rückstausicherungen durch

einen hierfür Fachkundigen. Hebeanlagen z.B. sind in folgenden Zeiträumen zu warten:

  • vierteljährlich in Gewerbebetrieben
  • halbjährlich in Mehrfamilienhäusern
  • jährlich in Einfamilienhäusern

Ein Verstoß gegen diese Wartungsintervalle kann im Ernstfalle den Verlust des
Versicherungsschutzes bedeuten!

 

Rückstausicherung mit Pumpe zur Abwasserentsorgung gegen Rückstau für den Einbau in Bodenablauf/Reinigungsöffnung Einfache Rückstausicherung im Doppelklappen-System. Rückstausicherung in eigenem Schacht.

 

Praktische Hinweise zum Thema Rückstausicherung

  1. Rückstausicherungen sollten nach Möglichkeit nicht erst unmittelbar vor den Entwässerungsgegenständen bzw. Bodeneinläufen angebracht werden, sondern so weit wie möglich "dem Rückstau entgegen", im Idealfall außerhalb des Gebäudes  in einem begehbaren Schacht. So reduziert man nicht nur die Zahl der nötigen  Rückstausicherungen durch eine zentrale Anlage, sondern vermeidet auch, dass  Leitungen unter der Bodenplatte bei Rückstau unter hohem Abwasserdruck stehen.
  2. Grundsätzlich sollten über eine Rückstausicherung nie Abwasser (oder gar Niederschlags-wasser) geführt werden, das oberhalb der Rückstauebene anfällt. Sonst setzt man den Keller bei Schließen der Rückstausicherung mit dem hauseigenen Abwasser selbst unter Wasser.
  3. Wenn im Gebäude die Abwasserentsorgung auch bei Einstau nicht unterbrochen werden darf (hoher, regelmäßiger Abwasserabfall) dann sollte eine Rückstausicherung installiert  werden, die über ein Hackwerk und eine Pumpe verfügt und in der Lage ist, das Abwasser samt aller Inhaltsstoffe gegen den anstehenden Abwasserdruck zu entsorgen.
  4. Es sollte darauf geachtet werden, dass die Rückstausicherung nicht verkehrt herum installiert wird, was erstaunlicherweise immer wieder vorkommt. Dann wird die Rückstausicherung zum Hindernis für den normalen Entwässerungsbetrieb. Daraus folgt auch:
  5. Der Einbau einer Rückstausicherung ist keine Heimwerkertätigkeit, sondern unbedingt eine Aufgabe für den Fachmann. Fehler kommen den Grundstückeigentümer teuer zu stehen - bis hin zum Verlust des Versicherungsschutzes!